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Die Kunst des Streitens

Manchmal ist es einfach nicht mehr umgehbar: Ein klärendes Gewitter muss her, ein Streit, der das auf den Tisch bringt, was Probleme und Unannehmlichkeiten verursacht. Selbst in gefestigten Beziehungen und in den glücklichsten Familien kommt es von Zeit zu Zeit dazu, dass sich ein Streit nicht mehr vermeiden lässt. Dabei will streiten allerdings gelernt sein, wenn man sein Gegenüber nicht auf Dauer vergrätzen möchte. Was man bei einem klärenden Streitgespräch beachten sollte, erfahren Sie im Folgenden.

Ziel eines Streits

Das Ziel eines Streites ist, durch Diskussionen, die von Konstruktivität geprägt sind, eine Lösung für das jeweilige Problem zu finden und Meinungsverschiedenheiten beizulegen. Dabei lässt die Analyse, wie gestritten wird, darauf schließen, wie niveauvoll und respektvoll die jeweils Beteiligten miteinander umgehen.

Verstecken verboten!

Von der Idee, einem drohenden Streit auszuweichen, indem man sich klammheimlich aus der Wohnung stiehlt oder schnell ein Geschenkchen hervorzaubert, damit der schon zuckende Streithahn sich wieder beruhigt, ist keine gute Lösung. Auf diese Weise wird ein klärendes Gespräch nur unnötig lange herausgezögert und wenn es dann irgendwann knallen sollte, dann so richtig. Als erwachsener Mensch sollte man gelernt haben, sich auch unangenehmen Situationen zu stellen. Da alltägliche Streitigkeiten oftmals aufgrund von Kleinigkeiten entstehen, lässt sich vieles schnell durch eine direkte Konfrontation aus der Welt schaffen. Sammeln sich solche Kleinigkeiten jedoch über einen längeren Zeitraum an, da ein Part alles in sich hineinfrisst, kann es irgendwann zu einem Streit kommen, der nicht mehr fair und sachlich ist. Womit wir auch schon bei der nächsten Regel des Streitens wären…

Oberstes Gebot: Sachlichkeit

Die Sachlichkeit sollte innerhalb eines Streites immer gewahrt werden. Lautes Schreien, Schimpfwörter, Vorwürfe und Übertreibungen haben bei einem Streit nichts zu suchen – auch wenn es manchmal schwer fallen kann. Natürlich ist ein Streit geprägt von einer Vielzahl von Emotionen – Enttäuschung, Wut, Traurigkeit etc. – dennoch dürfen diese Emotionen nicht die Oberhand gewinnen und uns zur unsachlichen Argumentation verleiten. Ein Streit sollte genutzt werden, um die eigene Position darzustellen und eine akzeptable, gemeinsame Lösung zu finden.
Ein gutes Mittel ist, mit Vergleichen zu arbeiten, die dem Gegenüber verdeutlichen, wie man selbst eine Situation wahrnimmt. Wenn es zum Beispiel wieder einmal um die Gestaltung der gemeinsamen Freizeit geht, kann man durch Folgendes die eigene Situation dem anderen näher bringen: „Stell dir einmal vor, ich würde von dir verlangen, dass du jedes Wochenende mit mir zum Reiten gehst“. Allerdings sollte man an dieser Stelle aufpassen, dass man solche Vergleiche nicht zu vorwurfsvoll herüberbringt. Sie sollen schlichtweg dazu dienen, dass das Gegenüber versteht, warum gewisse Dinge einfach stören und dass das Gegenüber es in der umgekehrten Situation genauso empfinden würde. Wichtig ist zudem, dass man den eigentlichen Punkt, um den es sich im Streit dreht, nicht aus den Augen verliert. Man sollte also versuchen, nicht auch noch andere nebensächliche Probleme gleich mit auf den Tisch zu packen.

Streiten

Streiten ©iStockphoto/kzenon

Konstruktivität wahren

Jemanden Dinge vorzuwerfen, zu deren Änderung er keinen wesentlichen Beitrag leisten kann, ist nicht konstruktiv und nicht fair. Hier hilft kein Streit, man kann lediglich dem Gegenüber die eigene Gefühlslage schildern und sich von ihm zumindest emotionale Unterstützung wünschen.

Vorwürfe schaden einem gesunden Streit. Das Gegenüber fühlt sich schnell in die Enge gedrängt, wenn ihm zahlreiche Vorwürfe um die Ohren geschleudert werden. In diesem Fall wird er aller Wahrscheinlichkeit mit Gegenvorwürfen kontern und die Chance auf Erarbeitung einer gemeinsamen Lösung ist – zumindest für den Moment – verwirkt. Vorwürfe entstehen dabei schneller als man denkt: Eine unbedachte Wortwahl oder aber ein gewisser Tonfall zum Beispiel können schon genügen, damit eine Äußerung als vorwurfsvoll wahrgenommen wird. Man sollte dementsprechend auf die Wortwahl und Tonfall achten, um Missverständnisse zu vermeiden. Anstelle von Vorwürfen sollte man dem Gegenüber immer in ruhigen Worten verdeutlichen, was man selbst fühlt und wie man das Verhalten des Anderen wahrnimmt.

Diplomatie und Zuhören

Bei jedem Streit sollte man versuchen, sich in die Situation des Anderen hineinzuversetzen. Dieses mag zwar schwer fallen, da man sich unter Umständen angegriffen fühlt und aufgrund der Emotionslage eher dazu neigt sich zu verteidigen. Dennoch kann nur das gegenseitige Verständnis helfen, eine gemeinsame Lösung zu finden, die für beide Teile akzeptabel ist.
Das schwierigste am Streiten ist wohl, dem anderen zuzuhören und ihn nicht durch Rechtfertigungen, Vorwürfe oder Gegenangriffe zu unterbrechen. Das Zuhören ist aber mit das wichtigste bei einem Streit. Es gibt dem Gegenüber das Gefühl, ernst genommen zu werden und gibt ihm Gelegenheit, seinen Standpunkt zu entwickeln. Erst wenn man richtig zuhört, kann man nachvollziehen, wieso das Gegenüber enttäuscht ist, sich gekränkt fühlt usw. Wenn man einen Streit hingegen nur nutzt, um seinen eigenen Standpunkt zu entwickeln und die eigenen Taten zu rechtfertigen, wird dieses von Streitpartner als egozentrisch wahrgenommen und liefert ihm nur erneuten Stoff für weitere Angriffe.

Unter vier Augen

Jeder Streit sollte nur unter vier Augen stattfinden. Auf diese Weise erspart man sich nicht nur Peinlichkeiten vor Unbeteiligten, es ist schlichtweg fairer, private Angelegenheiten nur unter Beisein des Betroffenen zu regeln. Wären andere Personen anwesend, würden diese nach aller Wahrscheinlichkeit irgendwann für den einen oder den anderen Partei ergreifen. Hierdurch fühlt sich derjenige, der nicht auf Unterstützung zählen kann, in die Ecke getrieben. Der Streit droht dann seine Symmetrie zu verlieren. Derjenige, der dann der Allmacht ausgeliefert ist, wird aller Wahrscheinlichkeit nach emotionaler, vorwurfsvoller und aggressiver werden oder sich schlichtweg durch Flucht der Situation entziehen. Auch vor Kindern, die in der Regel nicht parteiisch sind, sollte nicht gestritten werden. Sie können die Inhalte des Streites nicht nachvollziehen und reagieren verletzt, verängstigt und verunsichert, wenn sich zwei geliebte Personen wortreich auseinander setzen.

Weiterentwicklung durch Streit

Nicht vergessen werden sollte, dass in jedem Streit auch eine Chance liegt. Durch Auseinandersetzungen, die erfolgreich gelöst werden, entwickeln sich die Beteiligten weiter. Krisen, die gemeistert werden, stärken die Beziehung, sodass Streit nicht nur als Zeichen von Disharmonie verstanden werden sollte, sondern auch als charakter- und beziehungsstärkendes Unterfangen.

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